Photograph – PhotoArtist –
Michael Lustenberger
– Painter – Goldsmith –
Zitate
Freundschaft ist die reinste und höchste Form der Liebe. Es ist eine Form der Liebe ohne Bedingungen und Erwartungen, bei der man das Geben an sich genießt.
Friendship is the purest and highest form of love. It is a form of love without conditions and expectations, where one enjoys the giving itself.
Ivica Lulic
Männer und Frauen
Die Götter trennten das Dunkel vom Tag
und schufen den Himmel und die Erde.
Sie erschufen alle Pflanzen und alles Getier.
Dann erschufen Sie den Mann, damit er ihnen diene.
Sie erschufen ihn aus Lehm, härteten ihn im Feuer.
Als er sich nützlich zeigte erschufen die Götter weitere Männer.
Später erschufen die Götter die Frauen.
Sie waren Luftwesen und flogen lachend
über den Köpfen der Männer hinweg.
Die Männer konnten nicht fliegen, sie waren Wesen der Erde,
mit schweren Gebärden und schweren Körpern.
Die Frauen waren leicht, trieben im Wind dahin,
ihre langen Haare umwehten ihre Gesichter.
Die Männer versuchten die Frauen zu fassen,
doch diese wichen lachend vor ihnen zurück.
Schließlich fertigten die Männer große Netze und
kletterten die Wipfel der hohen Bäume hinauf.
Als am Morgen die Frauen zwischen den Bäumen flogen
warfen die Männer ihre Netze und fingen sie ein.
Sie brachten die Frauen in ihre Höhlen.
Damit sie nicht wieder wegfliegen konnten legten sie sich
auf die Frauen und füllten deren Schoss mit ihren Samen
Die Frauen wurden so ebenfalls schwer, konnten nicht mehr aufsteigen, verloren die Flügel.
Sie gebaren den Männern Kinder.
Auch diese konnten nicht mehr fliegen.
So blieben die Männer und Frauen dem Boden verhaftet.
Der Himmel blieb allein den Göttern vorbehalten.
Schmetterlinge
Klingeln.
Tür.
Öffne.
Ein kleiner Mann steht vor der Tür.
Er hat einen großen Kopf, trägt einen Beutel in der Hand und lächelt zu mir herauf.
Ich sehe ihn fragend an.
„Ja, bitte?“
Sein Lächeln wird breiter.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ich bin hier, um Ihnen zu helfen!“
„Wer sind Sie? Kennen wir uns?“
Er schüttelt den Kopf.
„Nein, aber Sie haben mich bereits gesehen!“
„Wo? Wie? Wann?“ entfährt es mir.
„Vorgestern auf dem Parkplatz beim Einkaufen, gestern vor Ihrem Büro. Erinnern Sie sich?“
Fotos blitzen. Gesicht. Lächeln. Seins.
„Ich bin ein Sammler!“
„Ein was?
„Ein Sammler!“
„Und was sammeln Sie?“
„Erinnerungen!“
Ich sehe ihn entgeistert an.
„Was …?“
Er bückt sich und hebt etwas vom Boden auf, das er rasch in seinen Beutel steckt.
„Auch Ihre!“
Ich trete unwillkürlich einen Schritt zurück.
„Ja, auch Ihre!“
Pause
„Die Menschen lassen ihre Erinnerungen achtlos fallen, als wären sie mit den Erinnerungen auch die Wunden und Schmerzen los. Ich hebe sie auf, reinige sie und gebe sie den Leuten bei Bedarf zurück“.
„Bei … Bedarf?“
„Wenn der Besitzer sich an Dinge erinnern muss, die er einst weggeschlossen geglaubt hatte“.
„Wieso ich?“
„Sie müssen wissen, warum. Ich bin nur der Überbringer!“
Der Mann hält mir den Beutel hin.
„Da nehmen Sie!“
Mechanisch ergreife ich den Beutel.
Er lächelt mich an tippt sich an die Stirn und geht die Treppe hinab.
Ich sehe ihm nach, bis er verschwindet. Dann schließe ich die Tür, gehe durchs Wohnzimmer und trete auf den Balkon.
Den offenen Beutel stelle ich auf einen Tisch.
Die Erinnerungen verlassen den Beutel und umschwirren mich Schmetterlingen gleich.
Die Reiter
„Sie kommen! Sie sind hinter mir her!“ rief der Mann und versuchte sich loszureißen, aber ich hielt ihn am versengten Wams fest. Angst und Wahnsinn flackerten in seinen grauen Augen. Der Mund klaffte im verhärmten Gesicht wie eine offene Wunde, wirres Haar.
„Beruhig‘ er sich, Mann! Wer verfolgt und wieso?“
„Ich war in der belagerten Stadt unten an der Biegung des Flusses, als die letzten Wälle mit Schwert und Feuer gestürmt wurden. Sie müssen doch den Feuerschein gesehen haben, Herr, als die Häuser gebrandschatzt wurden!“
„Ich sah das Leuchten der Morgenröte am Himmel!“
„Das Schreien der geschändeten Frauen und der Kinder und Greise, die sie lebend in die Fluten warfen, Herr!“
„Ich lauschte dem müden Gesang des Windes in den Wipfeln!“
„Ich muss hier weg!“ sagte er und riß sich los.
„Wer verfolgt sie?“
Er deutete nach hinten. Auf einem Hügelkamm erschienen drei Reiter, die ihre Pferde zügelten. Einer führte ein herrenloses Pferd am Zügel. Sie deuteten in unsere Richtung und gaben ihren Pferden die Sporen.
„Da! Sie kommen!“
Er wollte davonlaufen, aber ich ergriff ihn erneut am Ärmel und hielt ihn zurück.
„Wo wollen sie denn hin, so zu Fuß? Ohne Waffen?“
„Das Wort ist stärker als der Stahl! Welch Irrglaube!“ Sein Lachen verschmolz mit dem Horizont. „Wir büßen alle für unsere Blasphemie! Der Einzige läßt sich nicht ins Handwerk pfuschen!“ Irres Lachen. „Wir alle müssen bezahlen! Hier und jetzt und zu jeder Zeit!“ Er riß sich erneut los und lief vor mir den sanften Hügel hinab. Ein kleiner Bach plätscherte in einiger Entfernung, dahinter erhoben sich weitere geduckte Hügel. Schwach zeichneten sich Häuser in weiter Ferne ab. Seine Gestalt begann langsam kleiner zu werden.
Die Reiter
… waren heran.
Sie zügelten die bunten Pferde. Der Schimmel war herrenlos. Derjenige, der es am Zügel führte, reichte sie mir.
„Los, steig auf! Wir müssen den Menschen kriegen und ihn von seinen blasphemischen Ansichten befreien!“ sagte er. „Im Namen des Einzigen!“
Ich stieg auf, und wir folgten der kleinen Gestalt, die in der Ferne kaum noch auszumachen war.
Die Liebe
Der Mann lag still da, wagte kaum zu atmen – aus Angst, das kostbare Bild könnte sich in Wohlgefallen auflösen. Er konnte sich nicht satt sehen an dem schlanken hellen Körper neben ihm, an den langen dunklen Haaren, dem herrlichen Busen und den langen Beinen. Er schloss die Augen und atmete tief ihren Geruch ein, nach den er sich so lange gesehnt hatte. Mit dem Geruch kamen die Erinnerungen an das damals.
Die Frau erhob sich in einer fließenden Bewegung und glitt auf den Balkon zu. Wind griff mit Vorhängen nach ihr. Sie spürte deutlich den Blick des Mannes auf ihrem Rücken. Auf dem kleinen Balkon blieb sie stehen und sah sich um.
Sie könnte hören, wie der Mann aufstand und hinter sie trat.
Langsam legte er die Arme um sie und zog sie an sich heran. Sie lehnte sich zurück, ihren Kopf an seiner Schulter. Kuß. Küsse. Langsam und leidenschaftlich. Unter ihnen lag die Stadt, das rötliche Licht des Sonnenunterganges durchflutete die Gassen und Straßen.
„Endlich habe ich Dich wieder, meine Liebe!“ flüsterte er „Zehn Jahre war ich wie tot. Erst jetzt lebe ich wieder!“
„Ich habe nie aufgehört Dich zu lieben! Jeden Tag habe ich an Dich gedacht!“
„Zehn Jahre! So nah beieinander und doch so weit entfernt!“ Er deutete auf die Insel vor der Küste. Die Bergspitzen verschwanden in der Dämmerung. „Wir segelten sofort hin, als wir unser Dorf brennen sahen. Die Barbaren tanzten vor den Flammen, niemand schien dem Gemetzel entkommen zu sein. Wir drehten ab und ich ließ mich hier nieder. Wer konnte ahnen, dass Du Dich auf die Insel gegenüber retten konntest?“
Er küßte ihren Hals.
„Endlich habe ich Dich wieder! Endlich!“
Sie drehte sich um, gab ihm einen leidenschaftlichen Kuß, ergriff seine Hand und führte ihn in das Zimmer zurück.
Texte copyright Ivica Lulic
Zitate II
Zeit ist überhaupt nicht kostbar, denn sie ist eine Illusion. Was dir so kostbar erscheint, ist nicht die Zeit, sondern der einzige Punkt, der außerhalb der Zeit liegt: das Jetzt. Das allerdings ist kostbar. Je mehr du dich auf die Zeit konzentrierst, auf Vergangenheit und Zukunft, desto mehr verpasst du das Jetzt, das Kostbarste, was es gibt.
It is not precious at all, because it is an illusion. What seems so precious to you is not time, but the only point that lies outside of time: the now. That, however, is precious. The more you concentrate on time, on the past and the future, the more you miss the now, the most precious thing there is.